Die allerletzten Arbeiten, mit denen Helnwein die Fotografie von ihrer dienenden Rolle als Vorlagenmaterial emanzipiert zum eigentlichen Artefakt, revidieren weniger seine monumentalen Gemälde, als daß sie die Pluralität unterschiedlicher, nebeneinander existierender Ausdrucksmöglichkeiten proklamieren. Gegenüber den bekannten frühen Selbstthematisierungen charakterisiert die fotografischen eine Zurücknahme der aggressiven, nach außen dringenden Energie. Die monumental dimensionierten Fotografien objektivieren Schmerz und Gewalt als Bewußtseinstatsache. Das "Selbstportrait" gerinnt in seiner Passivität zum Motiv des säkularisierten Schmerzensmannes. Helnweins Selbstthematisierungen sind nicht nur Zeichen fremder Aggression, einer dem Künstler angetanen Gewalt, sondern auch Reflexionen einer Selbstwahrnehmung, die die Grausamkeit freilegt, die der Mensch an sich selber verübt. In den Deformationen, die Gottfried Helnwein mit Wundspangen und anderen medizinischen Instrumenten sich selber antut, erkennt Peter Gorsen Selbstdarstellungen des Künstlers "als beschädigten, 'kastrierten' Mann. Der klaffende Mund hat den 'Stellenwert eines oralsadistischen Fetischs'." Dieser Interpretation nach vergegenständlicht sich in dem medizinischen Besteck der Operateur, der Arzt: also der Spezialist für Zerstückelungen des Körperphantasmas als Imago der Autorität des Vaters. Diese Deutung erlaubt die Erklärung des enormen Erfolges vieler Helnwein-Gemälde. Verdichtet sich doch der Prozeß der Zivilisation als Disziplinierungszwang individualpsychologisch jedesmal aufs Neue in der Figur des Vaters, die mehr als nur symbolisch als Vollzugsinstrument gesellschaftlicher Zwänge erscheint. In der Tat legen auch die von Ekel getragenen Ablehnungen des aufgespannten Schlundes in den Selbstbildnissen die Vermutung nahe, daß nicht die Bilder Helnweins als solche Widerspruch auslösen, sondern die verdrängte Erinnerung an die "vagina dentata", die sexuelle Angst des Mannes vor dem verschlingenden Genitale der Mutter. Gorsens Verdienst ist, mit seiner psychoanalytischen Interpretation die vordergründige Trivialität Helnweinscher Bilderfindung auf den Punkt gebracht zu haben, der deren Abgründigkeit als Generalisierungsmoment subjektivster psychischer Ängste de Künstlers ausmacht.